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Mopsi

In meinem letzten Auto hatte ich an meinem Innenspiegel einen süßen, kleinen, hellgelben und überfreundlichen Plüschhund hängen. Sein Name war Mopsi und er begleitete mich seit ich 18 war immer in meinen Autos.

Als ihn ein enger Freund das erste mal bewusst begutachtete, stellte ich ihn ihm mit Namen vor, was meinen Freund allerdings nur zu einer verwunderten Miene bewegte und zu der Äußerung, ob ich ihm ernsthaft einen Namen gegeben hätte. Nun ja, ich hatte das getan, und er schüttelte noch seinen Kopf und das Thema war erst mal vom Tisch. Dennoch, Mopsi war immer dabei und mein Freund erlebte es, dass ich ihn auch anderen Menschen vorstellte, nie ohne einen Ausdruck des Unverständnisses von sich zu geben. Der Höhepunkt aus dieser Reihe war, als seine Freundin mal mit im Auto saß und ich ihn eben falls mit: „Kennst du schon den Mopsi?“ auf ihn deutend vorstellte. Diese antwortete mit: „Ahh, is das ein Wau-wau??“ Worauf sich mein Freund nicht mehr halten konnte und sich empörte: „Meine Gott, jetz macht die diesen Blödsinn auch noch mit!“

Wieder kamen einige Wochen der Ruhe um dieses Thema und es kam der gemeinsam geplante Urlaub meines Freundes und mir in Tunesien. Wohlgemerkt ohne mein Auto und Mopsi. Ich habe keinen von beiden vermisst und so zogen wir – weit von allen daheimgebliebenen – von Ort zu Ort und von Unterkunft zu Unterkunft, ein erlebnisreicher Urlaub. Eines Morgens saßen wir am Frühstückstisch einer kaum mittelmäßigen Küche, die jedoch etwas schönes hatte: Ausblick aufs Meer. Ob wir beide müde waren, oder uns nur stillschweigend der Stimmung hingaben, ich weiß es nicht, aber wir wechselten lange Minuten kein einziges Wort. Irgendwann atmete mein Freund tief ein, schaute mich an, setzte sich aufrecht in seinen Stuhl und fragte mich: „Sag mal, redest du eigentlich mit Mopsi?“

Ich hatte mir zuvor das Meer und die Brandung angesehen und hatte jetzt den Eindruck, dass er gar nicht so gedankenfrei war, wie ich. Es klang so, als ob ihm diese Frage die ganze Zeit schon im Kopf herum spukte und er mit sich kämpfte, um sie über seine Lippen zu bringen. Ich musste jedoch so sehr lachen, dass er nur einfach mitlachte und ich glaube ich habe ihm diese Frage nie verbal beantwortet.

Skipper entlarvt!

Ich bin wieder beim Joggen. Im Wald, wie gewohnt. Alles ist wie immer, auch laufen mir die bereits bekannten Gesichter entgegen, da ich ja auf diesem Abschnitt schon ‚Stammgast‘ bin, und auch dieser eine mit der roten Laufhose ist wieder da. Das Besondere an ihm: er unterbricht seine Laufphase alle paar Minuten und trampelt dann mit hoher Geschwindigkeit und auffällig hoch ziehenden Knien auf der Stelle. Das Lustigste ist echt der Übergang! Ruhiges, gemütliches Laufen und wie durch einen Hornissenstich in den Hintern kommt der plötzliche Wechsel in diese hektische und leicht alberne Prozedur.
Aber jetzt, jetzt habe ich hier folgenden Artikel gesehen, der ihn entlarvt! Er hat diesen Tip anscheinend schon vor mir gelesen und hat der Sache wie es aussieht geglaubt:

„Skippen für die Potenz
Eine effektive Art dieses Trainings stellt das Joggen dar. Dabei soll nach einer Aufwärmphase von etwa einer Viertel Stunde ein Wechsel zwischen schnellem „Skippen“ – das heißt schnell auf der Stelle laufen und die Knie hochziehen mit voller Kraft – über eine halbe Minute und ruhigem Laufen von etwa 3,5 Minuten erfolgen. Dieser Wechsel sollte etwa fünfmal stattfinden, danach folgt eine zehnminütige Ruhepause. Gerade während dieser Ruhezeit strömt das sauerstoffhaltige Blut in den Penis, eine sofortige kalte Dusche würde den Effekt zerstören.“

strange

Es beschäftigt grad ja fast alle, so auch mich (ein wenig): Moosi ist tot! Die Tatsache, dass es Mord war, macht es irgendwie besonders schlimm. Ich finde es schade, dass er nicht mehr zu sehen sein wird. Natürlich kann man von ihm halten, was man mag, und da gehen die Meinungen ja sehr weit auseinander.

Was mir aber doch sehr zu denken gibt, ist Moosis Vorgehen bei der Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse. Natürlich wüsste ich gerne, bevor ich mir da meine Gedanken mache, ob der Verurteilte die einzige Info-Quelle für das Geschehen der Tat ist. Wenn die Geschichte aber wahr sein sollte, dann finde ich es doch recht dreist, dass sich jemand durch die Macht seines Geldes, Menschen auf der Straße aussucht und quasi für gewisse Dienstleistungen einkauft. Es gäbe ja auch Einrichtungen, in denen Menschen sich bewusst für sowas anbieten. Aber zugegeben, die Vorstellung, sich einen Menschen, der einem auf der Straße begegnet und den man sehr attraktiv findet, direkt für die Erfüllung der eigenen Phantasien haben zu können, ist irgendwie schon verlockend. Aber dem mit dem Argument des Geldes hinterherzugehen ist ja doch sehr eigen und mehr als fragwürdig. Was Geld doch alles möglich macht, böse böse!

Aber da ist noch etwas: ich weiß ja nicht, wie oder wo dieses Bild entstanden ist, soll aber ein aktuelles sein von dem Mörder vor der Tat (danach rasierte er sich die Haare ab). Aber sieht ein solcher Mensch, der des nachts am Bahnhof den Weg kreuzt, vertrauenswürdig aus? Ich weiß net, hat Moosi sowas wirklich gemacht?…Dann war er ein härterer und mutigerer Kerl als ich bislang dachte…
Moosi-Mörder

Grandpa-Power

Neulich hat mein Opa mal wieder ein Thema angesprochen, über das er sich einfach aussprechen musste. Er hatte Grund, sich etwas zu ärgern und zwar über die Politiker. Genauer gesagt, über Herrn Trittin und dessen Energiepolitik bzw. seine Vorstellung und seine Vision – in meines Opas Augen eher eine große Dystopie – über die Stromversorgung in Deutschlands Zukunft.

Zwar wurde schnell klar, dass er die Reduzierung der Atomkraftwerke und gar deren eventuelle Abschaffung in fernen Zeiten total ablehnt, aber mit den Gründen für seine Haltung hielt er lange Zeit hinterm Berg. Durch wiederholtes Nachfragen wurde diese Frage aber schließlich beantwortet und es wirkte so, als ob er diese Antwort für überflüssig gehalten hatte, denn eigentlich weiß es doch jeder: „Strom kann man nur entweder mit Kohlekraftwerken oder Atomkraftwerken herstellen!“ Jouu! Ich habe natürlich versucht, ihn etwas aufzuklären, aber wie es bei den Ohren eines älteren Mannes so ist: viel bewirken konnte ich glaub ich nicht, auch wenn wir lange darüber geredet haben. Interessant nur, dass er überhaupt diesen obigen Satz sagen konnte.

Umso lustiger, als er dann einige Tage später mit Oma hier war und wir zusammen einige Bilder von Australien, wo ich vor kurzem einige Zeit war, anschauten. Da tauchten doch plötzlich auf einem Bild zwei Windräder auf. Was war er da überrascht: „War der Trittin auch schon dort? Nein im Ernst, haben die auch so was??“ Er war sichtlich vor den Kopf geschlagen. Hatte er doch gedacht, dass Deutschland sich unter Trittins Einfluss als einziges Land auf diese schiefe Bahn begibt.

Welten können ja so verschieden sein!

Ein Prinz, ein Prinz, ein Prinz, ein Prinz, ein Prinz, ein Prinz, ein Prinz, ein Prinz, ein Prinz, ein Prinz, ein Prinz, ein Prinz, ein Prinz, ein P..

Wer schon hat, dem wird noch gegeben…

Ich hatte neulich ein paar Leute hier und mir zu diesem Anlass unter anderem eine Packung Prinzenrollen gekauft. Hmmmm. Als ich damit nach Hause kam, stellte ich fest, dass noch eine ungeöffnete Packung vorrätig war. Nun gut. Vielleicht würden ja die Leute, die mich am Abend besuchen wollten, kräftig Prinzenrollen essen, so dass eine Packung ja unter Umständen sogar zu wenig gewesen wäre. Dumm nur, dass ich dann völlig vergessen habe, Prinzenrollen anzubieten. Naja, auch zwei Packungen werden irgendwann weg sein.

Heute hat mich mein pensionierter Nachbar gebeten, mal zu ihm rüberzukommen, er käme mit seinem neuen DVD-Spieler nicht zurecht. War dann nur ne Frage des richtigen Anschlusses und ich konnte das Problem schnell lösen. Ich hab mich gefreut, er hat sich gefreut, und als Dank gab er mir…eine Packung Prinzenrollen.
Kennt einer die Telefonnummer vom Krümelmonster?

Die kleine Freude

Es ist finstere Nacht, ein Mann steht allein neben der schweren Eingangstür eines Gasthauses. Durch die Fenster fällt ein gelber Lichtschein auf den Boden vor ihm. Er steht da schon einige Minuten und auf einmal kommen viele Leute durch die Tür nach draußen. Einige gehen einfach an ihm vorbei, andere schütteln ihm die Hand. Er grinst und sagt etwas, die Leute gehen weiter.

Es herrscht reger Verkehr. Manch einer geht wieder hinein, kommt gleich wieder heraus, die Tür steht nicht mehr still. Draußen bilden sich Grüppchen, aber der Mann, der als einziger alleine für sich steht, beobachtet das Geschehen um sich herum nicht wirklich. Außerdem ist er beschäftigt. Neben sich hat er eine große Tüte auf dem Boden stehen. Einigen von denen, die ihm die Hand geben, schenkt er daraus ein Päckchen. Und wenn er nicht gestört wird, dann nimmt er selbst kleine Päckchen aus dieser Tüte, macht diese auf und zündet stangenartige Pappknäuel an und schmeißt sie schnell weg. Kurz darauf knallt es laut, aber der Mann ist bereits mit dem nächsten Griff in die Tüte oder in das kleine Päckchen zugange und zündet den nächsten Knaller an. Vielleicht ist er deshalb schon vor allen anderen nach draußen gegangen, weil er so viel zu tun hat und nicht zu lange da stehen will, oder aber vielleicht auch, weil seine Knaller jetzt unter dem Lärm der anderen fast untergehen.

Als alle bereits wieder hineingehen … „Ein gesundes Neues“ … sagen jetzt auch die noch, die zuvor noch nicht mit ihm geredet haben … ist er immer noch nicht fertig. Aber er freut sich über jeden Glückwunsch, der ihm geschenkt wird, doch jetzt ist niemand mehr an seinen Geschenken interessiert.

Frühling und Herbst

In meiner Nachbarschaft wohnt ein kleiner Junge, na ja so etwa elf oder zwölf Jahre wird er sein, der in der ebenfalls nahe gelegenen Klosterkirche ministrieren geht. Er sagt, er macht das gerne und hat es schon gerne tun wollen, bevor er es überhaupt durfte, also vor seiner Erstkommunion. Aber als es dann soweit war, da war er nicht mehr zu halten und ministrierte sehr viel. Es wird immer aufgeschrieben, wer wann gedient hat und am Ende des Jahres gibt es dann je nach Leistung größere oder kleinere Weihnachtsgeschenke. Stolz hat er mir erzählt, dass er in einem Jahr mit 372 Gottesdiensten nicht mehr zu schlagen war.

Natürlich kennt er auch – zumindest vom Sehen – die meisten Stammbesucher. Besonders diejenigen prägen sich ihm gut ein, die in den frühmorgendlichen Wochentagsmessen in den spärlich besetzten Bänken sitzen. Oft bietet sich ihm dabei taglang das immer gleiche Bild wenn er von seinem rot gepolsterten Stühlchen neben dem Priester sitzt und nach unten sieht. In der ersten Reihe in der von ihm aus rechten Seite sitzt immer ein alter Mann, der nur mehr sehr langsam gehen kann und mal ein Kissen mitgebracht hat, damit er weicher sitzt. Wenn nach der Messe die Kirche leer ist und Max noch Kelch und Hostienschale in die Sakristei bringen muss und die kircheneigenen Gebetbücher einsammelt und in die Holzkiste am Eingang sortiert, dann ist dieses an den Nagel vor des alten Mannes Platz hängende Kissen das einzige, das durch sein sanftes Baumeln daran erinnert, dass vor kurzem noch jemand hier war. So sieht nicht nur Max die fleißigen Kirchenbesucher, sondern diese auch den fleißigsten Ministranten des Klosters. Stillschweigend bewundern sich die beiden Seiten gegenseitig, wenn auch auf eine sehr unterschiedliche Art.

Unter der Woche geht Max nach der Messe direkt in die Schule, nur an den Wochenenden und während den Ferien geht’s nach Hause. Und an einem solchen Tag muss es passiert sein, dass er den langsamen, alten Mann eingeholt hat, denn auch dieser wohnt nicht weit von hier und Max hat vor kurzem erst erfahren, dass er immer an dessen Haus vorbeilief. Da er ihn ja gewissermaßen kannte, grüßte er und der Alte grüßte zurück. Er hat eine etwas heisere Stimme, wirkte aber gleich sehr freundlich auf Max. Dies ging einige Male so, bis eines Tages der alte Mann nach der Begrüßung den Jungen daran hinderte zügig weiterzugehen, indem er ihn fragte, wie ihm die Messe gefallen habe. An diesem Tag war Hochamt, also eine Sonntagsmesse mit Predigt. Max gab eine etwas verlegene und knappe positive Antwort. Da er aber schon sein Gehtempo dem alten Mann angepasst hatte, wollte er nicht gleich wieder beschleunigen und stellte die Gegenfrage. Ihm habe sie auch sehr gut gefallen, meinte der Alte, nur dass er mit der Predigt ein Problem hatte. Er habe sie schlicht nicht verstanden. Eine kurze Schnaufpause machte Max deutlich, dass er sie auch nicht erklären könnte, denn eigentlich hatte er sie auch nicht verstanden. Für so alte Menschen wie ihn, meinte der Mann, seien so lange und auch komplizierte Predigten einfach nichts mehr. Max wusste nicht so richtig, was er danach noch sagen sollte und nach ein paar Schritten verabschiedete er sich und war froh, als der Alte ganz lieb meinte, er solle ruhig gehen und brauche wirklich nicht mit ihm in diesem Schneckentempo nach Hause schleichen.

Seit dann führten die beiden jedes Mal, wenn sie sich begegneten, ein kurzes Gespräch, manchmal auch etwas längere und Max erfuhr, wo der alte Mann seine Wohnung hat und auch, dass er Herr Steinmetz heißt. Die Gespräche wurden immer etwas länger und auch traute sich Max immer mehr Fragen zu stellen. Etwa wollte er wissen, ob sein alter Wegkumpane früher als Steinmetz gearbeitet hat. Oder warum er so hohe Absätze an seinen Schuhen hat. Herr Steinmetz beantwortete Max nicht nur seine Fragen, er erzählte ihm auch sonst immer recht viel. Wenn ich Max aber fragte, wovon Herr Steinmetz denn erzählt, wusste er immer nicht so genau, was es eigentlich war. Als ich wissen wollte, ob er es denn schlicht vergessen würde, wurde Max etwas rot im Gesicht und zuckte mit seinen Schultern.

Aber es gefalle ihm sehr gut mit Herrn Steinmetz und mittlerweile geht er auch schon öfters mit ihm in seine Wohnung. Dieser zeigt ihm dann verschiedene Heiligenbilder, es riecht immer recht streng nach irgendeiner Creme, mit der man sich einreiben kann, um seinen Husten wegzubekommen und jetzt in der Weihnachtszeit gibt Herr Steinmetz dem Max auch jedes Mal einen Lebkuchen mit. Immer ist es einer von den braunen, dabei mag er doch die weißen am liebsten, aber er sagt nichts, bedankt sich und Herr Steinmetz lächelt glücklich.

Max gefällt es bei Herrn Steinmetz so gut, dass er schon nach jedem Ministrieren darauf hofft, ihn zu treffen. Ein paar Tage vor Weihnachten war vom ersten Moment der Messe an ein komisches Gefühl in Max’ Bauch: Der Platz seines Freundes war leer und das Kissen hing so an dem Haken, als würde es jemand anders dort vergessen haben. Diese halbe Stunde war eine der längsten, die Max erlebt hatte, denn er beschloss sofort, als er sah, dass Herr Steinmetz fehlte, auf dem Heimweg bei ihm zu klingeln und nachzusehen, warum er nicht da ist. Wie beruhigt war er, als Herr Steinmetz die Türe öffnete und ihm mit ganz ruhiger Stimmer erklärte, er habe heute ersatzweise zu Hause einen Rosenkranz gebetet und sei deshalb nicht in die Kirche gegangen, weil er nicht gehen könne, da der Boden gefroren und spiegelglatt ist. Daran hatte Max gar nicht gedacht, dass die alten, doch sehr ungeschickten und etwas lahmen Beine des Herrn Steinmetz mit diesem Bodenfrost ihre Probleme hatten. Da war der Tag wieder in Ordnung.

Als ich Max einmal fragte, warum genau er eigentlich so gerne bei Herrn Steinmetz sei, schaute er mich mit großen Augen und einem glücklichen Gesicht an, und sagte, so als sei er stolz, die Antwort zu wissen: „Ich weiß nicht!“

Ur-Tanz

Wie bereits erwähnt, habe ich eine 16 Monate junge Nichte. Was mir an kleinen Kindern unter vielem anderem so gut gefällt, ist die Tatsache, dass sie Dinge tun, die nicht durch irgendwelche Regeln bestimmt sind. Es gibt in ihrem Kopf kein ‚das macht man halt so‘, und das is ne Basis für echte Kreativität. Eine Sache, die Zusammensein mit Kindern so schön macht und wodurch wir Großen oft etwas neidisch werden können.
So ist es etwa auch sehr schön mit anzusehen, wie sie auf bestimmte Töne oder Musik reagiert. Sie will Musik haben, fordert es immer mal zwischendurch. Und wenn sie richtig von dem, was sie hört, ergriffen wird, dann beginnt sie zu tanzen. Von außen betrachtet sieht es immer so aus, als würde wirklich ein Schalter in ihr betätigt, denn egal ob sie gerade einfach geht, trinkt, spielt oder sich augenscheinlich auf andere Dinge konzentriert, wenn sie tanzen muss, dann muss sie eben tanzen, und dann kann sie auch nix davon abhalten. Am ehesten passiert das bei Musik oder Tönen, die quasi live von irgendjemandem hier im Haus gemacht werden. Das allerschönste dabei ist ihr Tanzen selbst, wobei es schon eine Entwicklung nachzuzeichnen gibt:
Die ersten Tänze waren von kurzem und ruckartigem in-die-leichte-Kniebeuge-fallen geprägt. Dieses im Takt wiederholt und mit ihren neugierig blickenden Augen ist ein wahrer Genuss. Dabei habe ich immer den Eindruck, dass sich die Neugier nicht ausschließlich auf die Musik richtet, die sie eben hört. Ich glaube, sie ist gefangen von der ganzen Situation und ihre Aufmerksamkeit und Neugier wird in gleichem Maße von ihr selbst bzw. ihrem Körper gefangen. Ein Naturwunder, das sie gerade entdeckt: ‚ich beginne zu tanzen wenn diese mehr oder weniger geordneten Geräusche kommen‘.
Es blieb nicht bei dieser einen Tanzbewegung. Nach einiger Zeit hatte es auch den Oberkörper erfasst und sie begann eine Art Flatterbewegung mit leicht abgespreizten Armen zu machen. Erst nur getrennt, mal Kniezucken, mal Armflattern, aber dann auch mal in Kombination. Mich hat es manchmal an ein Huhn erinnert, das gern mal fliegen will, es aber einfach noch nicht schafft. Obwohl kein Moment der Verzweiflung zu sehen war, sondern die Freude nur noch größer zu werden schien, vielleicht einfach dadurch, dass jetzt viel mehr Körper aktiviert ist und gößere Bewegungen auch größere Effekte verursachen können. Vielleicht fliegt sie ja dabei doch auf eine bestimmte Weise.
Nun gut, eine letzte Stufe fehlt noch und diese legt nahe, dass mein Eindruck mit dem Versuch zu Fliegen nicht so gefehlt war. Sie findet Gefallen an diesem Armflattern und beginnt dazu zu rennen. Eben so wie ein Flugzeug, und bissi hebt sie dabei bestimmt auch ab… Neben der Tatsache, dass sie zu tanzen beginnt, wenn Musik ertönt, entdeckt sie anscheinend auch noch, dass ihr dieses Tanzen gut tut. Ich glaube, sie hat noch nie ein Flugzeug oder einen Vogel bewusst wahrgenommen, aber sie weiss schon, wie sie sich selbst in die Höhe bringt und macht es einfach wenn ihr danach ist. Wie schön und beneidenswert!

Schöne Aussichten

Meine 16monatige Nichte findet zur Zeit großen Gefallen daran, meinen Namen zu rufen. Das freut mich sehr, besonders da sie ihn so lustig ausspricht, wie ich es zuvor noch nie gehört hab.
Neulich war sie alleine am Tisch und blätterte in der Fernsehzeitung. Plötzlich ein sehr lauter Ruf nach mir. Als ich dann zu ihr kam, stand sie da vor dieser Zeitschrift und deutete auf ein Bild und wiederholte meinen Namen noch einige Male. Auf dem Bild war ein ebenfalls schwarzhaariger Mann abgebildet, dem sie anscheinend Ähnlichkeit mit mir bescheinigte. Was mich zum Schmunzeln brachte, war die Tatsache, dass es sich um einen Schauspieler handelte, der von vielen Frauen vergöttert wird, und da kommt meine unvoreingenommene Nichte, sieht dieses Bild und identifiziert mich sofort mit…George Clooney! Bestimmt hat sie gleich erkannt, dass ich eigentlich die gleichen Züge und Wesensmerkmale habe, wie er. Ich weiß zwar nicht sehr viel über ihn, aber ich glaube, in meinem Alter war er noch nicht sooo bekannt und verehrt, und drum kann ich mir ja nur gute Hoffnungen auf eine – wie auch immer – erfolgreiche Zukunft machen. Oder ist an George noch mehr wie sein Aussehen?? Muss ich etwa auch noch ein guter Schauspieler werden?
Dieses Hochgefühl wurde ein wenig gedämpft, als meine Nichte jetzt noch einmal beim Anblick eines anderen Mannes genauso reagiert hatte. Es war das erste Mal, dass sie diesen – ebenfalls Schauspieler – im Fernsehen gesehen hatte: Mr. Bean!! Bedeutet das jetzt, dass der Unterschied zwischen Clooney und Atkinson rein äußerlich wirklich nicht so groß ist? Liegt der Ausschlag des unterschiedlichen – besonders weiblichen – Feedbacks doch woanders? Oder unterscheidet meine Nichte einfach blonde von schwarzen Haaren? So wie sie auch Zebras und Löwen ‚Wau-Wau’ nennt?
Hm, Frauen müsste man verstehen…

Suicide Walk

Na sowas: Meine Mutter ging heute im Park spazieren! Das besondere daran: völlig unerwartet tut es etwa drei Meter vor ihr einen dumpfen Knall! Verursacher dieses Knalls ist ein etwa 65jähriger Mann, der sich das Leben nehmen wollte und von der nebenstehenden Mauer sprang als meine Mutter dort gerade vorbeilief. Stellt sich mir die Frag: hat dieser Mann absichtlich diesen knappen Abstand zu einem Fußgänger gewählt, um gefunden zu werden? Wollte er demnach die Möglichkeit wahren, gerettet zu werden? Wollte er gar nicht sterben und das war nur der so berühmte ‚Hilfeschrei‘, und er hat sich damit ein Gespräch mit seiner Frau oder anderen nächststehenden Verwandten gespart? Oder hat er schon stundenlang oben auf der Mauer verharrt, den Blick starr in die Unendlichkeit gerichtet, bis er sich innerlich endlich überwunden hatte, abzuspringen? Das würde bedeuten, dass meine Mutter froh sein kann, nicht zwei Schritte früher dort gewesen zu sein! Was bedeutet dieses Ereignis überhaupt für meine Mutter? Natürlich ist sie auch sehr mitgenommen und ruft schon seit Stunden Freunde an, damit sie mit jedem über ihr Erlebnis reden kann – eine Art Verarbeiten bei ihr.
Nun gut, sowas bringt die Weihnachtszeit einfach auch mit sich, schlimm nur, wenn man es so direkt erleben muss…