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Freiheit

Was Verkehrsregeln mit Coronaregeln gemein haben

Was haben Regeln in meinem Leben verloren, die mir von außen auferlegt werden, obwohl ich nicht nur mündig, sondern auch erwachsen und vernünftig bin? Das ist doch ein Eingriff in meine Menschenwürde, in mein Freiheitsrecht, leben wir denn in einer unaufgeklärten Gesellschaft?

Regeln, die uns – so wie aktuell die Corona Verordnungen – auferlegt werden, erzeugen in der individualistisch geprägten, westlichen Welt weit mehr Widerstand als in den kollektivistisch geprägten Gesellschaften etwa im asiatischen Raum. Insbesondere, wenn derartige Regelungen neu eingeführt werden. Viele helle Köpfe sehen und stellen die Bereiche in den Vordergrund ihrer Kritik, die persönliche Rechte einschränken. Die Kritik ist vielschichtig, hart und von vielen unterstützt wird sie dann, wenn Deutschlands wunder Punkt getroffen wird: Blind und unkritisch durch Verordnung – also wenig demokratisch – vorgegebenen Regeln zu folgen, sich gemeinschaftlich hinter solch eine Führung zu stellen, zeige erneut, wie es  im Nationalsozialismus möglich war, die Massen zu bewegen. Unkritische Folgsamkeit, der Massenmeinung hinterherlaufen, das war ja die Quelle allen Übels, so höre und lese ich oft in den virtuellen Diskussionen oder höre es vereinzelt auch im echten Leben.

Ich war heute in einem Café in einer dunkelroten Stadt. Es war kein Aufenthalt im Café selbst erlaubt, nur To-Go-Bestellungen wurden aufgenommen und maximal vier Personen, so stand es auf einem großen und deutlich lesbaren Schild vor der Türe geschrieben, durften gleichzeitig in das Café zur Bestellaufgabe betreten. In der kurzen Wartezeit, die ich dort verbrachte, musste der Angestellte sehr häufig diese Bitte lautstark aussprechen und hereindrängende Besucher wieder höflich vor die Türe zitieren. Ich bin mir sicher, dass nicht alle von diesen Besuchern das Schild übersehen haben. Es wirkte mit vier Gästen einfach noch sehr leer und so konnte man sich doch relativ sicher sein, keine Gefahr darzustellen, wenn man selbst auch noch die Schwelle übertrat. Man kann ja eben wohl selbst denken und entscheiden, was gefährlich ist, und was nicht.

Ich stimme prinzipiell zu, was das Denken angeht. Was die Überschreitung der Regel angeht, sehe ich das jedoch anders. Typisch deutsch, kann man meinen, und vielleicht ist das auch so. Aber es gibt gute Gründe dafür. Ich möchte es mit einem alten Satz an Regeln vergleichen, gegen die kaum mehr jemand aufmüpft: die Verkehrsregeln. Wie gefährlich ist denn Verkehr eigentlich: wie oft fahren wir mit zwei Blechtonnen mit Zentimeterabstand aneinander vorbei, also knapp an einem schweren, vielleicht tödlichen Zusammenprall. Wieso passiert das verhältnismäßig selten? Wieso selbst da, wo sich entgegengesetzte Richtungen kreuzen? Da wo sogar Fußgänger, Fahrradfahrer, Autos, Trams und Busse aufeinandertreffen? Weil wir uns stupide an die Regeln halten, die wir in der Fahrschule gelernt haben. An einer roten Ampel bleiben wir stehen. Wie oft aber, ist genau das aber eigentlich sinnlos? Wie oft sehen wir mit unserer Vernunft und Reife, dass wir zu 100% niemanden gefährden, wenn wir die rote Ampel trotzdem missachten? Aber meistens tun wir es ja doch nicht. Wieso? Weil wir kollektiv bereits verstanden haben, dass es nicht funktioniert, wenn wir anfangen, einzelne Situationen selbst zu bewerten und ggf. entgegen der übereinstimmend akzeptierten Regeln zu agieren. Denn wo ist dann die Grenze? Wie lange kann ich dann beruhigt über eine grüne Ampel fahren, mein Kind alleine durch die Stadt laufen lassen?

In einer Gesellschaft in der sich tausende Menschen auf engem, öffentlichen Raum sicher bewegen können sollen, wird von allen auf dieses Stück Freiheit verzichtet. Wie sehr ein/e Einzelne/r auch den Regeln in singulären Momenten widersprechen mag, wie sehr sie/er diese auch nicht akzeptieren mag: wo soll dann bitte der Anfang, wo das Ende sein? Vielleicht sind in dem Café wirklich auch fünf Personen gefahrenlos aufnehmbar. Vielleicht kann ich dann aber auch in der Fußgängerzone die Maske abnehmen, wenn ein starker Wind weht und gerade weniger Menschen unterwegs sind. Dann geht ja aber auch das Treffen mit meiner Großfamilie, denn im Einzelnen sehe ich die ja auch sowieso nach und nach. Und schon beginne ich, jede Situation zu analysieren und meine Entscheidungen selbst zu treffen. Ich mit meinem Laienverständnis von Infektionsketten und Ansteckungsmöglichkeiten. Diese Freiheit muss ich natürlich dann auch jede/r anderen gestatten und ich bin mir sicher, wir hätten bei weitem keine Situation mehr, die wir noch kontrollieren können.

Ich bin sicher kein Verfechter von immer absolutem und blindem Gehorsam und die Einschnitte, die wir jetzt erleben, werden immer – je nach Bevölkerungsgruppe – gravierender. Es läuft auch in meinen Augen vieles schief, Maßnahmen sind in einigen Bereichen nicht wirklich gerechtfertigt, viele (gerade Schulkinder, Mitarbeiter und Inhaber von kleinen Unternehmen in hart getroffenen Bereichen, Mitarbeiter im Gesundheitsbereich u.v.m.). Da muss diskutiert werden, was ja auch ständig passiert. Aber:

Schade und wirklich unverständlich für mich ist jedoch, wieso wir derartige Einschränkungen bewusst oder fahrlässig in Kauf genommen haben, als sich abzeichnete, dass ggf. eine zweite Welle kommen mag. Mit einfachen Mitteln des Schutzes von uns und v.a. anderen hätten wir dieses Level der Maßnahmen sicher niedriger halten können. Aber die Verwirklichung und Einforderung der individuellen Freiheitsrechte wogen bei zu vielen leider mehr als die Beugung vor diesen Schutzvorgaben. Sehr schade, wir sind als Gesellschaft leider noch etwas unreif, scheint mir. Viele ‚Opfer‘ dieser Situation hätten wir vermeiden können, wollten wir aber offensichtlich nicht. 🙁

https://www.tagesschau.de/ausland/china-corona-137.html

Ich Behindi ich

Ich bin weiß, männlich, schwarzhaarig und behindert. Das sind alles Merkmale, die mich beschreiben. Ich könnte noch detaillierter werden und das allgemeine ‘behindert’ auflösen indem ich sage, dass mein linker Arm gelähmt ist. Da es aber unendlich viele Arten von Behinderungen gibt, bin ich froh über diesen zusammenfassenden Begriff ‘behindert’.

Wir haben alle einen Körper und einen Geist. Diese können i.d.R. grundlegende Aufgaben, über die ein Konsens herrscht, erledigen. Passiert irgendetwas, was die Entwicklung von diesem üblichen Weg abweichen lässt (genetische Veränderung, Unfall, Krankheit, etc.) dann kann es dazu führen, dass wir Einschränkungen in unserem Leben feststellen und diese irgendwie überwinden müssen. Unser Körper oder unser Geist funktioniert nicht mehr so, wie es der fehlerfreie biologische Plan eigentlich vorgesehen hatte. Es entstehen Hindernisse, sie behindern uns, wir sind behindert.

Warum sage ich das? Weil ich als behinderter Mensch auch gerne als solcher bezeichnet werde. Ich möchte nicht mit irgendwelchen Euphemismen beschrieben werden. Ich bin wegen meiner Behinderung kein besonderer Mensch, ich bin nicht ein herausgeforderter Mensch, ich bin kein Sonnenkind. Nein, ich bin wie jeder andere ein Mensch mit Eigenschaften, die mich definieren. Ich mag dieses Gefühl nicht, wenn ich merke, dass jemand denkt, er müsse hier ein Synonym finden, weil es ja so schlimm und bemitleidenswert ist, es direkt auszusprechen. Das macht mich gefühlt noch eingeschränkter und ausgegrenzter, ich finde das schlimm! Meinen linken Arm nicht benutzen zu können, ist einfach eine Be-Hinderung. So wie ich Menschen mit schwarzer Haut gerne “Schwarze” nennen möchte, Menschen mit weißer Haut “Weiße”, so wie ich Menschen mit Vagina und Busen “Frauen” nenne und Menschen unter 12 Jahren auch “Kinder”, so möchte ich einen zusammenfassenden und eindeutigen Begriff für Menschen mit Behinderung haben und benutzen dürfen. Wir sind Behinderte!

Diese Tendenz, in einer klaren und direkten Bezeichnung einer Eigenschaft, die uns von vielen anderen unterscheidet, eine Diskriminierung zu sehen und deshalb daraus ein Wort zu schmieden, das wie ein Lob klingt, das halte ich offen gesagt für jämmerlich und ich als einer dieser Behinderten fühle mich dadurch noch schlechter und minderwertiger. Ich freue mich wenn wir wertfrei Eigenschaften bezeichnen können und so unsere alltägliche Welt nicht in Metaphern und Synonyme verpacken. Wir sind alle unterschiedlich, lasst uns das feiern und nicht danach trachten, die Unterschiede wegzubügeln.

„Failplay vs. Inklusion“

Wer mit dem Thema Markus Rehm noch nichts anfangen kann, der kann sich das hier in der ZDF-Mediathek ansehen: http://www.zdf.de/ZDFmediathek….

Ein Novum ist, dass ein Sportler mit Behinderung – konkret mit einer Beinprothese – in einem Wettkampf im Weitsprung gegen Nichtbehinderte antritt. Jetzt ist es so passiert, dass er mit einer sehr guten Leistung diesen Wettkampf gewonnen hat. Und prompt steht er in der Kritik, da der Verdacht im Raum steht, dass die Prothese nicht nur Hilfsmittel ist, sondern ihm einen ungerechten Vorteil gegenüber Nichtbehinderten verschafft.

Grundlegend finde ich es gut, dass dieser Anlass jetzt dafür sorgt, dass dieses Thema mal geklärt wird. Es wurden Untersuchungen gestartet, die die Prothese und deren Sprungkraft genau untersuchen und diese Frage der Fairness beantworten sollen.

In meinen Augen muss die zentrale Frage die folgende sein: Wenn wir diese Inklusion im Profisport zulassen wollen, dann müssen wir akzeptieren, dass sich zwei Dinge gegenüberstehen und konkurrieren:

  • Zum Einen die Muskeln des gesunden Sportlers. Dieser kann diese trainieren, ihre Leistung stetig steigern und so besser und besser werden. Alle hoffen, dass das immer mit gerechten Mitteln vor sich geht, aber wir wissen leider genau, dass an vielen Stellen mit Medikamenten, die nicht immer zulässig und fair sind, nachgeholfen wird.
  • Zum Anderen die Prothese des behinderten Sportlers. Eine einzelne Prothese, die eine ganze Summe von Muskeln ersetzen muss, kann sich nicht mehr verbessern. Sie kann nicht trainiert werden und nimmt dem Sportler einen gewissen Bereich, in dem er seine Leistung optimieren kann. Allerdings kann die Forschung neue Prothesen schaffen, sie dem Sportler verpassen und ihm damit mehr künstliche (Sprung-)Kraft verleihen.

Diese beiden stehen sich gegenüber, wollen wir das akzeptieren oder nicht? Darum geht es!!

So wie es auch bezüglich Medikamenten bzw. Doping genaue Vorschriften gibt, was erlaubt ist und was nicht, sollte es auch klare Vorgaben geben, welche Materialien für Prothesen erlaubt sind. Ich bin kein Fachmann, aber sicher lässt sich Material, Zusammensetzung, Dicke, Länge, Biegung u.v.m. so definieren, dass von einem fairen Wettkampf ausgegangen werden kann und Behinderte und Nichtbehinderte gegeneinander antreten können. Inklusion eben. Oder: haltet sowohl Biodoping als auch Techdoping im Zaun!

Warum ‚relaxing music‘ entspannt

Mir wurde heute klar, warum die Wirkung, die entspannende Musik der tausend verfügbaren Chill-Radiosender verspricht, bei mir auch eintritt:
Sie schaffen es einfach, den letzten Ohrwurm aus dem Kaufhaus, vom Radiowecker oder dem pfeifenden Passanten wieder zu verbannen. Vielleicht bin ich ein Extremfall, aber ich schnappe sowas auf und die Platte dreht sich und dreht sich in meinem Kopf und jedes Ende ärgert mich ein wenig, bis ich beim nächsten letzten Ton merke, dass schon wieder ein Durchlauf kam. Und so weiter und so weiter. Eine leichte Spannung entsteht so durchaus!

Ja und genau davon lösen mich diese Sender. Wichtig hierbei ist nicht nur, dass sie diesen letzten Ohrwurm verbannen, sondern auch, dass sie keinen neuen einpflanzen! Dass sie mich als freier Mensch wieder entlassen!

Besonders wenn ich mich am Computer (arbeitend) konzentrieren möchte, sind sie mir ein starker Helfer geworden.

Wenn ich sie schon lobe, dann kann ich auch einige meiner Favoriten hier nennen:

Es gibt wie gesagt viele mehr, aber diese sind die, in denen ich meistens als Hörer herumflirre.
Ob ich ohrwurmkrank bin?

Das letzte ‚tschüss‘

Es wird nie so sein, dass man sich sicher ist, im richtigen Moment das richtige getan zu haben, die richtigen Worte gefunden zu haben. Das hoffe ich zumindest, hoffe, dass nicht nur ich das befürchte.

Irgendwann war der Abschied da, ich schloss die Türe, nachdem sie noch ein weiteres mal meinen Namen und ‚tschüs‘ rief, sich für den Besuch bedankte, sich übermühsam im Bett aufrichtete, um mich noch ein letztes Mal zu sehen, was ihr nicht gelang. Bevor die Tür ins Schloss fiel, konnte ich gerade noch ein ‚ich danke‘ los werden, das Tonnen an gedruckten Worten enthielt. Ob sie sie alle hörte, ich hoffe es, denn es war das letzte Wort, das ich durch meine Kehle pressen konnte.

Die Momente davor gehörten zweifellos zu unseren intimsten. Sie zeigte offen ihre Gefühle, mit stummer Stimme und wenigen Worten traf sie die Punkte, um die es wirklich geht. Wenn auch alles bis an den Rand geschwächt ist, ihre Herzlichkeit und Liebe stirbt nicht einfach so.

Tschüs, Oma.

Na schöne Feiertage dann mal…

Meine Frau hat neulich in einem online-shop etwas an einem Samstag bestellt am darauffolgenden Montag gesehen, dass 40% Rabatt auf alle Artikel gewährt werden.

Daraufhin versuchte sie mit folgender Mail, den Nachlass auch für ihre Bestellung anwenden zu dürfen (Nachricht ungekürzt):

Liebes XY-Team,

ich habe am Sa den 19.12.2009 meine Bestellung unter der Auftrags-Nr.: xxxx und der Kunden-Nr. xxxx bei Ihnen aufgegeben und auch sofort bezahlt.
Nun habe ich gesehen, daß Sie einen Rabatt von 40% auf das gesamte Sortiment geben und war etwas enttäuscht, daß man mich nicht darauf hingewiesen hat (denn da es heute früh erst auf der Seite zu sehen war, stand das sicherlich am Samstag schon fest!)
Ich habe eine Gesamtsumme von xx,xxEUR.

40% Rabatt entsprächen hier also xx,xxEUR.

Ich hoffe daß Sie trotz Ihrer Geschäftsaufgabe noch guten Kundenservice beweisen und mir den Betrag von xx,xxEUR zurück überweisen:

Kontoinhaber: XY XY
Bank: XY XY
BLZ: xx xx xx
Kto.-Nr.: xx xx xx

oder alternativ auf das PayPal-Konto: xx xx xx

Vielen Dank schonmal im Vorraus.
Ich wünsche Ihnen schöne Feiertage und einen guten Rutsch ins neue Jahr.

Mit freundlichen Grüßen
XY XY

Telefon: xx/xx

Zugegeben, ein sehr direkter, aber dennoch nicht unfreundlicher Versuch.

Die Dame, die diesen shop inne hat oder zumindest ihre E-Mail bearbeitete, muss wohl mit dem falschen Fuß aufgestanden sein. Die direkte Antwort war folgende (ebenfalls ungekürzt):

Sehr geehrte Frau XY,

wir können gerne die Positionen tauschen und Sie haben ein schwerstkrankes, schwerstbehindertes Kind – vielleicht würden Sie sich dann mit Ihren Forderungen etwas zurük nehmen.

Der Rabatt gilt ab Heute und nicht auf zurückliegende Bestellungen – das wird im Übrigen überall so gehandhabt.

Da die Ware leider schon an Sie versendet wurde, schicken Sie diese doch einfach zurück! Auf Kunden wir sie verzichte ich gerne – die meinen sie müssen mir etwas über guten Kundenservice erzählen!

Ein geruhsames Weihnachtsfest und ein gesundes erfolgreiches Jahr 2010

XY XY

Bleibt nur zu hoffen, dass dies nicht die allgemeine diesjährige Weihnachtsstimmung wiederspiegelt.

Schöne Feiertage euch allen!

China und seine Organe

Sind die Organe von hingerichteten Sträflingen nicht so gut wie die anderer Menschen?

Ganz unabhängig davon, was von der Exekution an sich zu halten ist, so verstehe ich nicht, warum die Tatsache für Kritik sorgt, dass in China mindestens 65% aller Spenderorgane von zum Tode verurteilten Häftlingen stammen.

In Anbetracht der Tatsache, dass um ein vielfaches mehr Menschen auf ein Spenderorgan warten, als diese in China zur Verfügung stehen, fände ich es sogar verantwortungslos, dieses Vorgehen zu stoppen.

Immerhin werden ja keine Gehirne verpflanzt und ich denke kaum, dass eine Sträflings-Niere den Menschen, in dem sie arbeitet, zu schlechten Taten hinreißt.

Drum finde ich: solange diese verwerfliche Todesstrafe in China noch durchgeführt wird (wogegen durchaus angekämpft werden sollte!), weiter so!

Artikel dazu: hier

Kinderaugen und -erfahrungen

Es ist ja nicht neu, dass es für uns erfahrene und dadurch bereits vielseits abgestumpfte Erwachsene etwas tolles ist, ein Kind an der Seite zu haben, weil damit die Wunder dieser Welt wieder gesehen werden können. Aus diesem Kapitel folgende Dinge:

Mein Sohn – der mittlerweile 16 Monate alt ist und gerade mit dem Laufen angefangen hat – sah heute zum ersten Mal bewusst Fische. Im Baumarkt in einem Aquarium. Ob es die Tatsache war, dass diese so schimmerten und sich so anders bewegten oder vielleicht die umgebende Zierde des Lebensraums dieser Fischlein im Aquarium…wir werden es nicht genau wissen können, aber er freute sich und quieckte, der ganze Körper zuckte und er musste einige Momente davor stehen bleiben und mit seinen Händen gegen die Scheibe patschen.

Später passierten wir ein Geschäft, das gerade die Pforte öffnete. Dabei ging auf einer Breite von etwa 8-10 Metern ein Gittertor nach oben. Auch hier Faszination, eher der stillen und überwältigten Sorte. Ein kleiner Mann, leicht schwankend vor einem riesigen Tor, der gerade versucht in seiner bis dato angelegten Gesetzmäßigkeit der Welt dieses Schauspiel einzuordnen.

Hier der große Mann im Supermarkt:

Schon einige Tage vorher hat er etwas anderes herausgefunden, der Forscher: Wasser ist nicht greifbar. Am nahe gelegenen Spielplatz gibt es eine Pumpe und wo er doch alles, was interessant ist, unbedingt greifen und anderen Menschen geben oder vielleicht nur an eine andere Stelle legen muss, so wollte ihm das einfach nicht mit dem toll blitzenden Rinnsal gelingen. So schnell gab er nicht auf und er fand dann doch eine lustige Verwendung: durch Drunterhalten des Gesichtes konnte er sich eine schöne Abkühlung verschaffen.

Durch meinen Hang zu Themen, die Ausscheidungen betreffen, werde ich auch nie ein Problem vergessen, das er hatte, als er etwa drei Monate jung war. Es wollte damals einfach nicht so recht mit dem Stuhlgang klappen, es brachte ihn oft zum Weinen und wir mussten nachhelfen. Dies geschah durch ein Fieberthermometer, dass sein Popöchen öffnete und lockerte und dadurch dem drinnen wartenden Zeugs endlich Freigang verschaffte. Die Schwierigkeit, die er dabei hatte, war folgende: Dadurch, dass er sich anstrengte, sich von der Darmfüllung zu befreien, presste er, was ihn sehr anstrengte und dabei verkrampfte er nicht wenig. Er drückte, was er konnte, und spannte dabei alle Muskeln an, die er so hatte – auch den Schließmuskel! Wie selbstverständlich ist es für uns, bei aller stuhlgängerischen Anspannung, diesen einen Muskel locker und offen zu lassen? Auch das musste gelernt sein und wird mittlerweile natürlich professionell beherrscht!

Das kategorisierende Lernen zeigt sich auch schön beim Bezeichnen von Vierbeinern: Wau-Wau hat er gelernt, das ist ein Hund. Jedoch bezeichnet er auch Rehe oder Rinder so, nicht aber etwa Vögel oder Igel. Tatüü-tatüü ist die Sirene von Einsatzfahrzeugen, die ja bei genauem hinzören auch wirklich nicht Tatüü-Tataa macht. Ebenso die Kirchturmuhr. Die macht nicht bim-bam sondern bam-bam.

Hat er eigentlich auch Recht!

Empfindungsfähig

Dieser Song, auf den ich soeben gestoßen bin, passt so unverschämt gut zu der in mir schlummernden Jahreswechselsentimentalität. Seis drum, sei er mir wieder ins Gedächtnis gerufen, der mir so vieles gezeigt hat, damals. Mit dem ich so vieles gelernt habe, mit dem ich so männlich und zugleich jungenhaft war, so schelmisch und so verantwortungsbewusst. Dem Leben bin ich mit ihm entronnen, um dieses darauf so freudig wieder in die Arme schließen zu können.

Schon acht Jahre habe ich meinen Freund nicht mehr gesehen, wir haben unsere Aufgaben füreinander erfüllt und leben jetzt in getrennten Welten. Nicht wirklich ohne einander zu haben, manchmal glaube ich sogar, halb er zu sein. Nur die neuen Schritte, die erlebe ich, ohne sie mit ihm teilen zu können. Doch genau so soll es sein.

Ein Tag, an dem er ein neues Kapitel in meinem Leben eingeläutet hat, ist ganz stark mit diesem Song verknüpft.


So wünsche ich euch allen einen guten Rutsch und dazu die Freude an allem, was ihr bisher erlebt habt, woraus die Vorfreude auf alles noch kommende resultieren mag!

Stolze Trottelei

Ich kann etwas so tolles: ich kann sehr schnell etwas spiegelverkehrt geschriebenes lesen! Es wird schon fast zu einem Zwang: wenn irgendwo ein Wort etwa auf einer Glasscheibe klebt und ich sehe es von der anderen Seite, so kann ich nicht anders – ich muss es einfach lesen.

Dieser Zwang wird mir zuweilen zum Verhängnis. Ihr kennt diese Türen bestimmt auch, wie etwa unser Bäcker eine hat: eine Glastür, auf der zur Erleichterung der Kunden steht, ob man Drücken oder Ziehen muss. Auf jeder Seite steht das entsprechende Wort. Da es sich aber wie gesagt um eine Glastüre handelt, sieht man jeweils beide Schriften – die eine spiegelverkehrt. Immer wenn ich auf diese Türe zugehe, befällt mich der Zwang des Spiegellesens. Ich lese das für mich nicht gültige Wort, habe dies im Kopf und mir wird erst dann bewusst, dass das ja das verkehrte war, wenn ich meine Nase an der Türe plattgedrückt habe, weil ich auch das falsche – gedrückt anstatt gezogen – getan habe.

Jetzt wisst ihr, woher ich meine breite Nase habe!