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Ich Behindi ich

Ich bin weiß, männlich, schwarzhaarig und behindert. Das sind alles Merkmale, die mich beschreiben. Ich könnte noch detaillierter werden und das allgemeine ‘behindert’ auflösen indem ich sage, dass mein linker Arm gelähmt ist. Da es aber unendlich viele Arten von Behinderungen gibt, bin ich froh über diesen zusammenfassenden Begriff ‘behindert’.

Wir haben alle einen Körper und einen Geist. Diese können i.d.R. grundlegende Aufgaben, über die ein Konsens herrscht, erledigen. Passiert irgendetwas, was die Entwicklung von diesem üblichen Weg abweichen lässt (genetische Veränderung, Unfall, Krankheit, etc.) dann kann es dazu führen, dass wir Einschränkungen in unserem Leben feststellen und diese irgendwie überwinden müssen. Unser Körper oder unser Geist funktioniert nicht mehr so, wie es der fehlerfreie biologische Plan eigentlich vorgesehen hatte. Es entstehen Hindernisse, sie behindern uns, wir sind behindert.

Warum sage ich das? Weil ich als behinderter Mensch auch gerne als solcher bezeichnet werde. Ich möchte nicht mit irgendwelchen Euphemismen beschrieben werden. Ich bin wegen meiner Behinderung kein besonderer Mensch, ich bin nicht ein herausgeforderter Mensch, ich bin kein Sonnenkind. Nein, ich bin wie jeder andere ein Mensch mit Eigenschaften, die mich definieren. Ich mag dieses Gefühl nicht, wenn ich merke, dass jemand denkt, er müsse hier ein Synonym finden, weil es ja so schlimm und bemitleidenswert ist, es direkt auszusprechen. Das macht mich gefühlt noch eingeschränkter und ausgegrenzter, ich finde das schlimm! Meinen linken Arm nicht benutzen zu können, ist einfach eine Be-Hinderung. So wie ich Menschen mit schwarzer Haut gerne “Schwarze” nennen möchte, Menschen mit weißer Haut “Weiße”, so wie ich Menschen mit Vagina und Busen “Frauen” nenne und Menschen unter 12 Jahren auch “Kinder”, so möchte ich einen zusammenfassenden und eindeutigen Begriff für Menschen mit Behinderung haben und benutzen dürfen. Wir sind Behinderte!

Diese Tendenz, in einer klaren und direkten Bezeichnung einer Eigenschaft, die uns von vielen anderen unterscheidet, eine Diskriminierung zu sehen und deshalb daraus ein Wort zu schmieden, das wie ein Lob klingt, das halte ich offen gesagt für jämmerlich und ich als einer dieser Behinderten fühle mich dadurch noch schlechter und minderwertiger. Ich freue mich wenn wir wertfrei Eigenschaften bezeichnen können und so unsere alltägliche Welt nicht in Metaphern und Synonyme verpacken. Wir sind alle unterschiedlich, lasst uns das feiern und nicht danach trachten, die Unterschiede wegzubügeln.

Russland und die „feigen“ Anschläge

Russland wird gerade durch (bisher) zwei kurz aufeinanderfolgende Anschläge in Wolgograd durchgerüttelt. Der erste Anschlag wurde am Sonntag, den 29.12.2013 verübt, als ein Selbstmordattentäter am Bahnhof mindestens 17 Personen in den Tod riss. Keine 24 Stunden später, am Montag, den 30.12., erfolgte in einem Linienbus in Wolgograd ein weiterer Selbstmordanschlag, der mindestens 14 Menschen tötete.

Berichte und Hintergründe darüber gibt es darüber genügend. Ich möchte auf ein Detail eingehen, welches mir bei den berichteten Informationen immer wieder begegnet und das ich nicht ganz verstehe. Ich stoße in den Verurteilungen immer wieder auf das Wort „feige“.

So hat laut diesem Bericht etwa der Präsident der Parlamentarischen Versammlung der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa), Ranko Krivokapic, von einem „Akt der Feigheit und Unmenschlichkeit“ gesprochen. Auch Putin habe laut Radio beteuert, dass diese „feigen Täter“ gefasst werden würden. Aber nicht nur Politiker, auch Journalisten verwenden diese Formulierung häufig und in Kommentaren kommt es noch öfter vor.

Ich kann das nicht verstehen. Weiterlesen