Neulich Abends habe ich mich recht sinnleer von der Flimmerkiste im Wohnzimmer berieseln lassen. Ich verfolgte einen Bericht über eine Frau um die 50, die sich daran machte, ihre leibliche Mutter zu finden. Sie hatte im Schulalter bereits erfahren, dass sie adoptiert wurde und bisher noch keinen Versuch getan, ihre Eltern zu finden.
Unwichtig die Frage, die zwangsweise kommt: Wenn überhaupt, dann wieso erst jetzt. Entweder hat dies Hintergründe, die ich als Zuschauer nicht kenne und möglicherweise gar nicht kennen soll, aber bei der Verfilmung privater Schicksale bleiben ja gerne solche ‚vernünftigen‘ Fragen offen. Sinn oder Sinnlosigkeit solcher Sendungen will ich aber jetzt gar nicht hinterfragen.
Etwas anderes ist mir an dieser Frau aufgefallen, was ich auch aus meiner Umgebung kenne. Viele Menschen reden über sich in der verallgemeinerten ‚man‘-Form. Speziell bei ihr waren dies Antworten auf Fragen wie „hast du Angst vor dem Treffen?“, „bist du nervös, zittern deine Knie?“, „kannst du deine Mutter jetzt verstehen?“ usw. Sie sagte in etwa: „Man hat da schon eine große Ungewissheit…man schiebt sowas halt doch ganz schöne Zeit vor sich her…man bekommt nasse Handflächen…da werden einem die Knie doch auf einmal weich…nachdem, was sie erzählt hat, kann man das schon verstehen…
Wieso sagt sie nicht einfach ‚ich‘? Auch wenn mir das schon oft begegnet ist, so richtig darüber nachgedacht habe ich noch nie. Dadurch aber, dass diese Frau so extrem ver-man-t war, ist es wie von selbst deutlich geworden. Dadurch, dass sie die Einstellungen und Haltungen, die ja eigentlich ihre ganz persönlichen sind, verallgemeinert hat, hat sie sie quasi zu einem Gesetz gemacht. Sie ist sich so unsicher, möchte vielleicht nicht gerne hinterfragt werden, und macht genau dies dadurch dem Zuhörer schwerer. Wenn jemand sagt, dass man etwas halt so macht, dann bedarf es mehr Kraft, zu hinterfragen, als wenn in der ersten Person gesprochen wird.
Ich werde mich und andere genauer beobachten und schauen, ob ich noch andere Theorien finde. Bestimmt sind die meisten Menschen weder bewusste man-Sager noch bewusste man-Vermeider. Wo gehört ihr hin?