Geschichten von den Toten von den Lebenden

„Hier stehe ich und kann nicht anders!“ oder „Wenn ich wüsste, dass die Welt morgen unterginge, würde ich heut ein Apfelbäumchen pflanzen.“ oder auch: „Was rülpset und furzet ihr nicht, hat es euch nicht geschmecket?“ … dies sind alles Aussagen, die man Martin Luther zuschreibt. Und genau dadurch, dass sie von einer solchen Persönlichkeit stammen sollen, werden sie salonfähig. Wenn also eine Aussage eigentlich unpassend, unrüchig oder sonstwie unschicklich wäre, dadurch dass der Sprecher sich einer Autorität bedient, brüstet er sich gleichzeitig mit gewisser Bildung und braucht sich nicht mehr zu rechtfertigen.

Froh über die Möglichkeit, sich auf einen großen Geist zu beziehen, sind bestimmt auch einige Schüler, die wissen, dass Einstein selbst schlecht in der Schule gewesen war. Es ist unbestreitbar hilfreich, Gewissheit darüber zu haben, dass schlechte Schulnoten nicht mit Dummheit gleichzusetzen sind.

Pazifisten bedienen sich gerne des Brecht-Zitats: „Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin!“ oder Extremisten von der anderen Seite, die auch mal herauskehren wollen, dass der nasenbreit-schnauzbarttragende Diktator der dunklen Vergangenheit Deutschlands auch Gutes für unser Land getan habe, berufen sich etwa darauf, dass er die erste deutsche Autobahn gebaut habe und durch ihn Deutschland mit Schnellstraßen und gleichzeitig mit Arbeitsplätzen ausgestattet wurde.

Aber all das, Luther, Brecht, Einstein, Hitler… alles falsch! Es war ganz anders und stimmt so nicht! Luther und Brecht haben das nie gesagt, auch zu Brechts Einstellung passt dieses Zitat und dessen Auslegung überhaupt nicht, ebenso war Einstein ein guter Schüler und Hitler hat erstens nicht die erste Autobahn gebaut und auch nicht sonderlich viele Arbeitsplätze damit geschaffen, so ja auch die Mär von der Vollbeschäftigung zu Hitlers Zeit längst als solche enttarnt worden ist, aber die propagandistische Darstellung dieser Leistungen hat sich wohl tief eingeprägt und einige Menschen glauben noch immer daran.

Besonders schwach ist, dass derartige Gerüchte nicht nur vom deutschen Michel angenommen werden, sondern auch von seriös anmutenden Menschen. So hat etwa die Wirtschaftsredakteurin der New York Times, Dava Sobel (die ich hier auf keinen Fall schlecht machen will, hat zumindest schon ein tolles Buch geschrieben!), in ihrem Buch „Galileos Tochter“ die Geschichte schlicht übernommen, Galileo habe die Fallgesetze dadurch belegen wollen, dass er Gegenstände vor Kritikern vom schiefen Turm von Pisa habe herunterfallen lassen.

Vieles andere, etwa dass auch die Leminge keinen kollektiven Selbstmord begehen, kann man hier nachlesen. Aber halt, haben nicht auch die, die diese angeblichen Gerüchte in die Welt gesetzt haben, behauptet, es genau und sicher zu wissen?? Glaube jeder, was er/sie mag – no worries!

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