Powerseller

Gestern hatte ich einige Erledingen zu machen. Alles sollte recht zügig über die Bühne gehen, weil…ach das ist jetzt unwichtig.

Meine erste Station war die Post. Ich musste nicht lange warten, hatte zwei Fragen, die ich dem Angestellten stellen musste, dann war alles klar, ich bezahlte und ging. Nein, wollte gehen, denn er hatte mich noch auf etwas aufmerksam gemacht. Ich war mit meiner Konzentration nicht mehr wirklich bei ihm, da für mich schon alles abgewickelt war, und so musste ich nachfragen. Allerdings verstand ich auch da nicht alles, nur ‚…Konto…‘ drang durch und ich versuchte mir einen Reim auf meinen abgegebenen Großbrief in Verbindung mit ‚Kobto‘ zu machen. Ergenislos, also frug ich nochmal nach. Jetzt verstand ich: er meinte, ob ich denn nicht ein kostenloses Girokonto brauche! Er machte Werbung! Gerade die Post, die mich mit ihrem in Folie verpackten Fernsehprogramm ärgert, den ich jede Woche aufreißen, trennen und wegschmeißen muss, da ich keinen Fernseher habe!! Brauche ich natürlich nicht, sonst hätte ich mich schon selbst erkundigt. Im Hinausgehen nehme ich mir dennoch nen Flyer zum Girokonto mit und lese nach, dass es erst ab einem bestimmten Einkommen kostenfrei ist. So so, mit einer Halbinfo, einem Schlagwort, den Kunden erst einmal fangen wollen, und dann irgendwann in einem Nebensatz oder bei einer klein gedruckten Sternchen-Fußnote die bedeutende Einschränkung nennen. Pah!

Dann fahre ich zum Tanken schnell bei denen ran, die nur superes haben. Mein Tank ist recht leer, ich mache ihn voll, der Preis ist dementsprechend und ich kann nur mit Karte zahlen. Nach mindestens 3minütigem Anstehen wird mir gesagt, dass das Kartenlesegerät nicht funktioniert, ich solle noch ein wenig warten. Das mache ich auch, stelle mich ein wenig abseits, und nach weiteren 6 Minuten – wir sind bereits zu dritt – bekommen wir grünes Licht. Bevor ich aber jetzt die Karte in das Gerät stecke, werde ich noch gefragt, ob ich nicht eine Maxi-Bifi nehmen möchte, die sei derzeit im Angebot. Nö, pfui, brauch ich nicht. Habe ich ein Wurstgesicht? Da ich mir die Bonuspunkte dieser Kette immer schön braf in mein Faltblättchen klebe, frage ich, ob ich denn für die Wartezeit nicht ein Kleberchen mehr bekommen könnte? Hätte ich drei Liter mehr getankt, hätte ich eh eines mehr bekommen, aber die freundlich nur-grinsende Kassiererin lacht so, als hätte ich einen Witz gemacht, den sie nicht versteht, gibt mir mein Restgeld und dann geh ich auch schon. Alles super, nur der Service nicht, denk ich mir…

Im Supermarkt gibts eine Leinwand mit kurzen Werbefilmen und auf meinem Einkaufswagen ist ein Display, das mich mit einem kleinen Pieps immer auf ein bestimmtes Produkt aufmerksam macht. Zufällig – nein: berechneter Weise ist das immer eine Ware, an der ich gerade vorbei laufe. Ich werde beobachtet, irgendwie, in Form von bytes jage ich im System umher. Aber wie angenehm, wenn ich nicht aktiv ablehnen muss. Allerdings ist die Kassenschlange extrem lang. Mist. Ich stelle mich an und beschließe, meinen Mobilfunkanbieter anzurufen, weil ich schon länger einen kostenpflichtigen Benachrichtigungsservice deaktivieren lassen will. Dort ist die Warteschlange nicht lang und ich komme gleich zu einer netten Beraterin durch. Sie geht in meine Daten, ich nenne ihr mein Passwort, sie erledigt, was ich wollte, ich danke ihr und will mich verabschieden, aber da hat auch sie ein Anliegen – aha: für 5,- Euro mehr könnte ich am Wochenende 1000 Minuten frei bekommen. Nö, mir reichen meine Freiminuten, danke. Aber ich solle doch mal überlegen, die Minute umgerechnet für nur 0,5 cent! Billiger als Festnetz. Ähm…nein, danke!! Nun gut, wenn sie mir damit keine Freude machen kann, dann vielleicht mit der Partnerkarte! Eine zweite Rufnummer ohne Grundgebühr und Anschlusspreis, ebenfalls nur 5,- Euro, aber Mindestumsatz… Nein, danke, ich habe alles, was ich brauche und hab auch kaum mehr Zeit (bin ich bei MacDonalds gelandet? Noch ne Apfeltasche?). Endlich gibt sie nach. Ja ja, ihr wurde auch gesagt, „Nein“ bedeute „Noch Eine Information Nötig“. Die armen Berater/Verkäufer unserer Gesellschaft, müssen verkaufen, auch was der Kunde nicht will.

Naja, dann bin ich aber fertig, die Dame an der Kasse hat erstaunlicher Weise nichts zusätzliches für mich, hatte ich schon beinahe erwartet. Ich laufe noch an der Wursttheke vorbei und soll zwei Leberkäsebrötchen mitnehmen. Das mache ich und – ja! – hier gibts noch was: Die Metzgerin hat Pfefferbeißer im Angebot. Hier stimme ich endlich mal zu, nehme ein Paar mit. Ob sie weiß, dass Postangestellter, Tankstellenkassiererin und telefonische Kundenberaterin für sie schon vorgearbeitet haben?

Ich sage es ihr nicht, prüfe auch gar nicht, ob die Pfefferbeißer jetzt wirklich günstig waren, denke an diesen Artikel, den ich neulich gelesen hab und fahre nach Hause.

4 Gedanken zu „Powerseller

  1. Rotfell

    Du bist scheinbar ein sehr begehrtes Opfer für Werbung jeder Art! Mir wird nie was angeboten, aber dafür habe ich auch mein „Laß-mich-bloß-in-Ruhe-mit-dem_Quatsch-
    sonst-beiß-ich-dich“ Gesicht. Das setze ich immer auf, sobald ich irgendwo einkaufen gehe.

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  2. Iwi

    Vielleicht sollte ich morgens im Bad vor dem Spiegel das „Laß-mich-bloß-in-Ruhe-mit-dem-Quatsch-sonst-beiß-ich-dich“ Gesicht üben, damit ich das nächste Mal nicht so oft aufgehalten werde. Hoffentlich mache ich das nicht zu gut, nicht dass mir der Spiegel dann mein Gesicht zerkratzt…

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